Donnerstag, 10. August 2017

Uns geht's prima...

Unter dem Titel "Gerechtigkeit - Alles eine Frage der Wahrnehmung" hat das Institut der deutschen Wirtschaft (Köln) die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die es zusammen mit Allbus durchführte. Verkauft wird einem die Studie als repräsentative Studie: 3.490 Personen wurden befragt. Es ist natürlich klar, wohin der Hase läuft: Deutschland wird gerechter empfunden, immer mehr Bürger (sic!) sind mit ihrem Lebensstandard zufrieden usw.

Spontan musste ich dann an einen Song der Ärzte denken.


Gerade dieser Tage wird im Ersten eine interessante Doku gezeigt: "Von Rügen bis Usedom - Rechtsruck im Ferienparadies". Hier geht es nur auf den ersten Blick um den Rechtsruck. Wer die Doku schaut, wird feststellen, dass hier ganz andere Dinge im Zentrum stehen. Zum Beispiel eine absurde Lohn- und Arbeitsmarktsituation. Es gibt fast nur Jobs im Minijob-Bereich, feste Jobs gehen "unter der Hand" weg. Entlohnt wird maximal zum Mindestlohn. Die Infrastruktur geht auch vor die Hunde - konkret wurde im einzigen Krankenhaus weit und breit auch noch die Säuglings-Station eingestampft. Die Jugend haut ab. Tja und einstiges Volkseigentum wurde in Spekulationsobjekte für Reiche transformiert.

Ein Einheimischer in der Doku bringt's auf dem Punkt, als er fragend feststellt, dass er nicht verstehen könne, wo die vielen Leute herkommen sollen, die sich für 400.000 Euro eine kleinere Ferienwohnung kaufen können. Dabei handelte es sich aber noch nicht mal um die Prestige-Objekte. Interviewt wurde auch ein Immobilienmakler, der höherpreisige, neu renovierte Objekte verkauft bzw. vermittelt. Damit meine ich solche schönen mondänen mit Holz verzierten Kurbauten (siehe z.B. hier, hier oder hier). Bezeichnenderweise hatte der Makler einen süddeutschen Akzent.

Und das war dann auch mehr oder minder eine etwas andere Form von Gentrifizierung: Kein Platz mehr für Einheimische. Sowohl wortwörtlich im Sinne von Wohneigentum etc., aber auch im weitesten Sinne, weil die Einheimischen kaum Jobs bekommen und dann auch noch so dermaßen niedrig entlohnt werden, dass es im Grunde vorne und hinten nicht reicht. Mensch muss sich das mal vorstellen: Eigentlich läuft das Tourismusgeschäft ziemlich gut, aber die Leute werden übel bezahlt.

Es ist kaum verständlich, dass so "Marktwirtschaft" funktionieren soll. Jedenfalls kam mir in den Sinn, dass Misswirtschaft auch anders aussehen kann (und nicht nur stereotyp mit dem "real existierenden Sozialismus" assoziiert sein muss).

Und dann wundert mensch sich, wenn Leute entweder aus Protest AfD wählen oder gar nicht erst wählen gehen, die DDR zurück wollen usw. Genau die Doku ist also die passende Kontrast-Schablone für solche Jubelarien, wie sie eingangs mit entsprechenden "Uns geht's prima"-Umfragen angestimmt werden. Besser als mit diesem Kontrast lässt sich die Absurdität, mit der der Frust von Menschen ignoriert oder schöngeredet wird, kaum darstellen.

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