Mittwoch, 20. März 2013

Hartz-Happening

Gestern war es wieder mal soweit: Maischbergers gemütliche Runde zum Thema Hartz IV im Ersten. Mit dem Titel und der Auswahl der Gäste wurde offenbar versucht, aus der bekannten Dramaturgie auszubrechen und die Frage "10 Jahre Hartz" verstärkt aus der Sicht der Betroffenen zu schildern. Allerdings mit mäßigem Erkenntnisgewinn.

Frank Lübberding hat dazu in der FAZ eine Frühkritik ("10 Jahre Hartz") verfasst, in der er u. a. auf die "Eingliederungsbilanzen" und "Aktivierungsquoten" der Mitarbeiter(innen) der Jobcenter einging - ganz im Gegensatz zur gestrigen Sendung.

Zu Lübberdings Kritik möchte ich noch ein paar Ergänzungen loswerden.

Erstens stimme ich Lübberding ausdrücklich zu, dass Alt wohl als der Stratege der Bundesagentur für Arbeit gelten kann. Schlimm ist nur, wie der selbst den härtesten Diamanten zu Pudding quatscht. Wer ihm so zuhört und keine Ahnung von Hartz IV hat, glaubt womöglich wirklich, dass alles nicht so schlimm sei. Gut, als Chef wäre es schon eigenartig, wenn er sich nicht vor seine Mitarbeiterinnen stellt. Aber irgendwie hörte ich bei ihm immer nur ein substanzloses "Hauptsache Arbeit" durch, das im behördlichen Kontext zu "dann habe ich sie aus der Statistik und aus den Kosten" zu ergänzen wäre. Darauf hat m. E. nur ein mal Frau Weigl hingewiesen. Dieser lichte Moment verirrte sich aber wieder ziemlich schnell ins Dunkle.

Zweitens war ich irritiert über die Attitüte des 19-jährigen Sohnes von Frau Weigl, der ebenfalls eingeladen wa und sich zu Wort meldete. Irgendwie kam dort ein "Sozialdarwinismus" zum Tragen, der sich gegen sein altes Umfeld und - jedenfalls meines Eindrucks nach - eigentlich sogar gegen seine Hartz beziehende Mutter richtete. Ein "schönes" Beispiel dafür, wie sich die Solidarität im unteren Milieu zerfleischt.

Drittens war es mal wieder bezeichnend, dass niemand auf die Frage der Regelsatzhöhe von Hartz auch nur eine vernünftige Antwort gab. Ein besonders blamables Zeugnis stellte sich Dietmar Bartsch von den Linken aus. Auf die Frage hätte ich zumindest erwartet, dass er auf die Menschenwürde hinweist, die per Sozialstaatsprinzip zu gewähren ist. Es handelt sich um ein Grundrecht, das jedem Menschen zusteht - auch denen, die wir nicht mögen und die Maischberger u. a. in einem Einspieler wieder einmal zeigte.

Stattdessen drang Bartsch nur etwas mit "Würde" und ein Schwall heißer Luft aus dem Mund. Hätte "Maischberger" doch lieber mal den Wolfgang Neskovic eingeladen - der wäre allemal kompetenter aufgetreten. Eine verpasse Chance!

Stattdessen führte Herr Alt - der Bundesagentur-Stratege - aus, dass die Anhebung der Regelsätze auf 500 Euro bedeuten würde, dass dann viel mehr Menschen in Hartz rutschen. Warum? Weil in dem Falle, in dem 500 Euro das soziokulturelle Existenzminimum abdecken sollen, Jobs, die mit ihrem niedrigen Lohn DAS nicht erwirtschaften, automatisch einen Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II gewährleisten würden (also "ALG II" aka "Hartz IV"). Also heben wir den Regelsatz lieber nicht an, damit die Ansprüche auf ALG II und damit die Leistungsbezieher möglichst gering bleiben. Ob der Regelsatz dem soziokulturellen Existenzminimum und damit dem Grundgesetz gerecht wird, spielt dabei offenbar keine Rolle.

Ein Einwand, der in die gleiche Richtung lief, kam von unserem konservativen Konvertiten Herrn Metzger: Ob mensch sich vorstellen könne, wie teuer eine Erhöhung der Regelsätze wäre - das könne sich doch niemand leisten. Im Grunde heißt das aber, dass Leuten wie Metzger das Sozialstaatsgebot und die Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums total am Hintern vorbei geht. Menschenwürde, das will mensch sich offenbar nicht leisten.

Für einen waschechten Verterter des Sozialstaates wäre das eine Steilvorlage dafür gewesen, um den Irrsinn zu den Regelsätzen als das zu enttarnen, was er ist. Doch stattdessen gab es nur den Bartsch von den Linken.

Und obwohl beide "Hartz-IV-Mütter" in der Sendung einstimmig meinten, die Regelsätze würden nicht reichen, wurde der Aspekt, dass die Regelsätze eigentlich das soziokulturelle Existenzminimum sowie Teilhabe ermöglichen sollten, nicht weiter verfolgt. Wieder einmal.

Das ist m. E. das Charakteristikum des öffentlichen - wie in Teilen auch: wissenschaftlichen - Diskurses. Diese Diskurskultur zeigt, wie antastbar Mensch und Menschenwürde mittlerweile tatsächlich geworden sind. Da helfen offenbar auch keine Gerichtsurteile mehr (wie z. B. im letzten Jahr zu den Regelsätzen für Asylbewerber). Traurig ist das.

Und wer noch eine Dosis benötigt, um die Faust in der Tasche zu ballen, darf sich "Immer reicher, immer ärmer? Wie geteilt ist Deutschland?" im ZDF anschauen. Allerdings sollte mensch die Äußerungen von Meinhard Miegel, die dort zu erleben sind, mit Vorsicht genießen (siehe hier, hier und hier).

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