Samstag, 1. Oktober 2011

Meister Yodas Zorn

In der letzten Woche lieferte die zweite Reihe (ZDF) eine Kabarett-Offensive der besonderen Art: Volker Pispers, Georg Schramm, Hagen Rether und - last but not least - die "Anstalt" mit Urban Priol und Erwin Pelzig. Im Moment können diese noch in der Mediathek u.a. des ZDF und von 3Sat abgerufen werden.

Bild: Georg Schramm (3Sat.de)

Die gesellschafts-kritischen Qualität dieser Beiträge steht für mich außer Frage. Was mir allerdings auffällt, ist, dass mir zunehmend das Lachen sprichwörtlich im Halse stecken bleibt. Zwar kann auch bei Rether, Schramm und Co. gelacht werden. Die Pointe scheint aber nur gesetzt, um kurz innehalten zu können, um Luft zu holen. Denn anders lässt sich die deprimierende wie zutreffende Weltbeschreibung, die Schramm, Rether und Pelzig wiedergeben, kaum ertragen.

Beispielsweise, wenn Pelzig fragt, was Bundeskanzlerin Merkel meinte, als sie sagte, das Parlament solle bei der Abstimmung des Rettungspaketes "marktkonform" abstimmen: Meint sie vielleicht eine marktkonforme (!) Demokratie? Wie wäre es stattdessen mit einem demokratiekonformen Markt? Und warum müssen wir uns im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ständig irgend etwas vom DAX erzählen lassen, wo sich die Zahl der Aktienbesitzer gerade einmal auf 12,6 Prozent (DAI, PDF) der Bevölkerung beläuft?

(Davon sind ca. 2,2 Millionen sogenannte reine Aktionäre, die direkt nur in Aktien investieren. Das entspricht ca. 3,4 Prozent der Bevölkerung.)

So kritisieren Rether, Schramm und Pelzig emsig die gesellschaftlichen Zustände, die wir alle kennen. Sie machen damit eigentlich auch nichts anderes, als jene Blogs, die eine kritische Gegenöffentlichkeit formen wollen (bspw. das Dossier, die NachDenkSeiten, der Spiegelfechter, Fleurseur uvam.). Eigentlich übernehmen sie die Funktion der zornigen Bürgerrechtler(inne)n.

Doch wo bleiben die echten Bürgerrechtler(innen)? Gibt es sie noch? Wo bleibt der bürgerrechtliche Zorn in der Breite? Warum geht niemand auf die Straße, wenn die Merkel unsere Demokratie unter das Primat der Ökonomik stellen will? Warum können unkommentiert Rettungsschirme aufgespannt werden, von denen selbst die Parlamentarier(innen) absolut keine Ahnung haben? Warum wird das in den Medien nicht ausreichend thematisiert? (Siehe dazu u. a. den Beitrag auf Spreeblick, in dem ein kurzes Video von Panorama verlinkt ist.)

Für die Narren, die auch in komplizierten Zeiten den Herrschenden die Meinung geigen konnten, sind Schramm, Rethers und Pelzig viel zu ernst. Ihr Kabarett ist keine (reine) Unterhaltung, sondern zivilbürgerliche Aufklärung - eine Anleitung zum kritischen Denken. Dennoch scheint das keine Gefahr für die im Moment existierenden Gesellschaftsverhältnisse darzustellen.

Niemand zieht heute Leute wie Schramm oder Pelzig wegen Aufwiegelung gegen den Staat zu Verantwortung; niemand verfolgt, verschleppt oder foltert sie. Auch ihre Sendungungen werden nicht abgeschaltet. Im Gegenteil: Pelzig wird in den nächsten Sendungen sicherlich weiter munter auf die Apfelsinenkiste steigen können. Zum Glück!

Trotzdem stimmt es mich nachdenklich, dass sie weder als Gefahr gesehen werden, noch in ihrer Ernsthaftigkeit einem bürgerlichen Volkszorn den Weg bereiten. In dem Kontext ist es schon ein eigenartiges Gefühl, die eigene Empörung ob der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in den Kabarett-Programmen bestätigt zu wissen, am Ende aber dennoch wieder alleine und ratlos mit dem durch die Programme entfachten Zorn vor dem Fernseher/ Computer zu sitzen.

Links
1) Georg Schramm: Meister Yodas Ende (3Sat-Mediathek, 01.10.2011).
2) Georg Schramm (Homepage)
3) Neues aus der Anstalt vom 27.09.2011 (ZDF-Mediathek, 01.10.2011).
4) Volker Pispers (ZDF-Mediathek, 01.10.2011).
5) Hagen Rether "Liebe" (ZDF-Mediathek, 01.10.2011).
6) Hagen Rether (Homepage)

    1 Kommentar:

    matzator hat gesagt…

    "Niemand zieht heute Leute wie Schramm oder Pelzig wegen Aufwiegelung gegen den Staat zu Verantwortung . . "

    Nun wohl doch: Ken Jebsen wurde aus vom RBB entlassen. (KenFM)