Sonntag, 14. August 2011

Presseschau: Informationelle Selbstbestimmung

Ja, mensch muss sich ernsthaft Sorgen um unseren Rechtsstaat machen. Warum? Weil sich den letzten Wochen die Beispiele häuften, in denen sich Regierende und Behörden einen Dreck um rechtstaatliche Grundsätze scherten. Komischerweise ganz konkret mit Bezug auf die informationelle Selbstbestimmung.

Einmal ist da dieser Katastrophen-Vampyr namens Hans-Peter Friedrich. Genau, unserer Innenminister. Nur kurze Zeit nach Oslo gab Friedrich dem SPIEGEL ein Interview, in dem er "dem Internet" die Schuld an den Untaten von Oslo zuschob und mit Blick auf die BloggerInnen der (neuen) rechten Szene forderte, diese müssen "offen" diskutieren.

Letzteres wurde als Abschaffung der Anonymität und als Klarnamenzwang interpretiert. Selbst im SPIEGEL, dem Friedrich dieses Interview gab, wurde das kritisch gesehen (Konrad Lischka, SPON). Eine ebenfalls lesbare Kritik findet sich auf den auf den NachDenkSeiten von Jens Berger.

Solcherlei Kritik muss unserem Innenminister wohl doch irgendwie peinlich gewesen sein. Statt aber die eigenen Fehler einzugestehen und aus der Welt zu schaffen, dürfen solch honorigen Leute wie unser Innenminister ihre Pressesprecher an die Informationsfront schicken, die dann die verantwortungsvolle Aufabe übernehmen, den Mist ihres Dienstherren wegzugekehren. Die kritischen Töne zu diesem feigen Vorgehen waren sogar der recht konservativen Welt zu entnehmen:

"Anscheinend ist Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) doch hasenfüßiger, als er selbst gedacht hat. Da denkt er laut und, wie er ausdrücklich betont, in Erwartung 'wüster Beschimpfungen' darüber nach, ob Internet-Blogger nicht besser ihre wahre Identität offenbaren sollten.

Doch kaum wird er tatsächlich kritisiert, lässt er von einem Ministeriumssprecher die eigenen Worte noch einmal neu interpretieren. Das Ganze sei ein 'Missverständnis'. Friedrich habe lediglich für eine demokratische Streitkultur im Netz geworben und sei nach wie vor der Ansicht, dass es auch im Internet Bereiche gebe, in denen Anonymität sinnvoll sei. Es gehe nicht um eine gesetzliche Pflicht, sich im Netz überall auszuweisen zu müssen".

Also alles nur ein Missverständnis. Da haben wir aber noch einmal Glück, oder?

Nicht ganz, denn die Haltung, die Friedrich zeigte, lässt sich auch in manchen Behörden finden. So berichtete die taz von einer Frau, die wegen einer Krebsbehandlung über längere Zeit ins Krankenhaus musste, sich das zuständige Jobcenter ARGE aber bewusst blöd stellte und ein Mitarbeiter des Jobcenters sich unbefugt Zugang zur Wohnung der im Krankenhaus verweilenden Frau verschaffte. Wie die taz berichtete, war dem Mitarbeiter offenbar nicht bewusst, dass er gegen das Grundrecht auf Schutz der eigenen Wohnung verstößt.

Ein anderes Beispiel ereignete sich kürzlich in Thüringen, genauer: In Jena. Lothar König, Jugendpfarrer und Mitglied des Stadtrates in Jena, nahm am 19. Februar in Dresden (Sachsen) an einer Demonstration gegen einen Neonaziaufmarsch teil (MDR). Am zehnten August begaben sich nun sächsische PolizistInnen nach Jena und durchsuchten die Räume von Lothar König, um Beweismittel zu sichern, die "bei den Ausschreitungen in Dresden genutzt wurden" (MDR).

Es reichte den sächsischen Behörden offenbar nicht, dass die Methoden im Zuge der der Anti-Nazi-Demonstration vom Februar in Dresden stark kritisiert wurden (z.B. Spiegel). Nein, der Thüringer Fall um Herrn König zeigt, dass sich das sächsische Innenministerium offenbar keinen Deut um Kompetenzen schert und "Mir nichts, Dir nichts" auch mal Landesgrenzen überschreitet, ohne z.B. rechtzeitig um Amtshilfe zu ersuchen. Entsprechend eisig waren die Reaktionen aus Thüringen (Siehe auch taz).

Also abermals deutlich fragwürdige Umstände. Aber das passt ganz gut in das politische Umfeld, in dem es z.B. den ParlamentarierInnen deutlich am Hinterteil vorbei geht, dass wir seit 30.06.2011 kein verfassungskonformes Wahlgesetz haben und welche Konsequenzen das haben kann (siehe KrAutism und FREITAG). Ich frage mich, ob derartige Auswüchse nicht längst vom Verfassungsschutz hätten ins Visier gefasst sein müssen.

Keine Kommentare: