Freitag, 15. Juli 2011

Zur Leitkultur Feminismus

Anlässlich bestimmter politischer Vorkommnisse wurde ja in diesem Blog dem Thema "Gleichstellung" kürzlich schon einmal ein Beitrag gewidmet. Nun erschien auf dem Spiegelfechter.de der Gastbeitrag "Leitkultur Feminismus" von Sebastian Müller, zu dem ich ebenfalls nicht die Klappe halten will. Ehrlich gesagt konnte ich über diesen Beitrag nur mit dem Kopf schütteln.
Da wurden von Müller Behauptungen einfach so in den Raum gestellt, wie z.B. die, dass das Bildungssystem in feministischer Hand wäre. Was heißt das denn konkret? Das an einem „Girls Day“ festzumachen, ist einfach lächerlich. Woran machte Müller das sonst fest? Daran, dass der „größte Teil der Pädagogen und Bezugspersonen Frauen“ sind?

Sind diese Frauen aber auch Feministinnen? Statt das kritisch zu hinterfragen, transportierte Müller unterschwellig die Aussage, dass Frauen im Bildungssystem „feministisch“ wären. Dem Leser und der Leserin sollte damit wohl heimlich eine ganz bestimmte Kausalkette eingeimpft werden?

Viele Frauen im Bildungssystem
→ viele Feministinnen
→ Diskriminierung von Männer bzw. Jungen?

Die damit zur Schau gestellte ideologische Färbung kommt auch in anderen Behauptungen zum Vorschein. Etwa, wenn Müller über ein hereinbrechendes Zeitalter des Feminismus orakelte und den Feminismus zum „fundamentalistischen Eifer“ reduzierte. Nach den Kriterien einer „völlig außer Rand und Band geratene Emanzipationsdebatte“ sucht mensch im Text von Müller vergebens.

Es ist fast schon witzig, wenn Müller im letzten Teil seines Pamphlets schrieb:
„Wenn bereits die Reaktionen auf eine satirische Auseinandersetzung mit der Nischensportart Frauenfußball so empfindlich und zahlreich ausfallen, scheinen doch eklatante Fragen ob des weiblichen Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins aufgeworfen zu werden.“

Denn wenn mensch sich die Vorwürfe Revue passieren lässt, die dem vorgelagert waren, zeigt sich eher ein Mangel im männlichen Selbstverständnis und -bewusstsein. Das kommt z.B. in der Klage zum Ausdruck, „ein gefühltes Jahrtausend selbst erlebter weiblicher Unterdrückung“ erfahren zu haben. Ähnlich wirken folgende Passagen:

„Doch zu dem ganzen feministischen Nachholbedarf in männlichen Domänen gehört folgerichtig auch die mediale Stilisierung der Frau zum Superweib, zur modernen Femme fatale, egal ob im Film, in den öffentlichen Debatten oder im Feuilleton. Frauen scheinen – so entsteht ein manchesmal der Eindruck – in den letzten 30 Jahren der kulturell-evolutionären Entwicklung des Homo Sapiens ihre männlichen Artgenossen überholt zu haben. Sie stehen als moderner Prototyp in einer Gesellschaft, in der männliche Eigenschaften zunehmend überflüssig werden oder an Bedeutung verlieren.“

„Damit entpuppt sich der Frauenfußball lediglich als ein Vehikel in einem neoliberalen Verteilungskampf, einem Wettbewerb um Märkte, in der Frau ihren Mann stehen will. In einer solchen Marktgesellschaft, die sich nur um Profite schert, ist die Frage um Anerkennung ohnehin obsolet. Die Frau ist im Postfordismus bzw. Neoliberalismus als ein Element, dass den Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt belebt, höchst willkommen.“

Was mich an der Beitrag ganz grundsätzlich stört, ist, dass die Gleichstellung wieder auf Gender- und Feminismusfragen sowie „Mann vs. Frau“ reduziert wurde. Bei der Gleichstellungsfrage geht es aber nicht nur um die Gleichstellung von Frauen und Männern. Es geht u.a. (!) auch um die Gleichstellung von körperlich und sozial Benachteiligten oder Menschen verschiedenen Alters. Da hinsichtlich des Gleichstellungsgedankens von Gleichmacherei zu sprechen, ist einfach nur zynisch!

Wer sich davon abgesehen ein wenig in der Gleichstellungsarbeit auskennt, weiß außerdem, dass es eine durchaus spürbare Diskrepanz zwischen dem medial vermittelten Bild der Gleichstellung und der realen Gleichstellung gibt. Frauen werden immer noch diskriminiert. Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass nicht auch diskriminierende Tendenzen gegen Männer existieren. Aber was die Maskulinisten tun, ist, das eine gegen das andere auszuspielen: Weil Männer offenbar auch diskriminiert werden, wird gleich das ganze Augenmerk auf die Diskriminierung von Frauen negiert.

Genau so liest sich der Artikel von Müller.

Dabei dreht sich die Gleichstellungsfrage um „eine Gleichheit an Rechten […] sowie Gleichheit der Lebenschancen“ (Tasha #11). Mit Blick auf z.B. den Familienwunsch geht es deshalb um das Beseitigen von Barrieren, die eben jenem Wunsch entgegen stehen. Das betrifft sowohl Männer, als auch Frauen. Materiell (Geld, Kindergärten usw.) wie immateriell (Rollenbilder etc.). Wie oben angedeutet, schließt das mit ein, dass sich Gleichstellung nicht nur auf „Männer vs. Frauen“ reduziert, sondern z.B. auch auf die Frage der sozialen Durchlässigkeit abzielt. Ein weites Feld? Richtig. Und komplex obendrein.

Aber eine angemessene Reflektion hatte Sebastian Müller mit seinem Pamphlet offenbar nicht im Sinn. Statt dessen reduzierte er Frauen auf Feminismus und diesen wiederum auf „fundamentalistischen Eifer“. Als ob fundamentalistische Eiferer(innen) überall zugegen sind und sich ob ihres Eifers nicht selbst ins Abseits schießen würden. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass diese Fundamentalist(innen) sonderlich ernst genommen werden. Statt dessen tat das Müller offenbar. Davon eingeschüchtert malte er eifrig weiter das düsteres Bild einer feministischen Apokalypse.

Insgesamt ist es also ein dürftiger Artikel, der vor Behauptungen strotzt, dem es aber an guten Gründen fehlt. Ein Pamphlet eben. Aber gut, das hätte auch aus der Selbstbetitelung des Beitrags ersichtlich sein können (Replik eines Machos). Irgendwie gehört das auch zum Meinungspluralismus, wie ihn Jens Berger auf Spiegelfechter.de vertritt (Spiegelfechter #18.4). Trotzdem würde ich mich freuen, demnächst einen etwas ausgewogeneren und reflektierteren Beitrag zu diesem Thema beim Spiegelfechter zu lesen.

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