Donnerstag, 9. Juni 2011

Wenn der Milchmann ...

Mir ist Marc Beise von der SZ schon häufiger durch seine "liberalen" und "wirtschaftsfreundlichen" Behauptungen aufgefallen. Für gewöhnlich ignoriere ich solch paläoliberales Gewäsch. Allerdings hat die SZ jetzt so eine Art "Mediathek", in der sich Herr Beise offenbar schon länger die Ehre gibt und dessen neuster Erguss mich von der "Frontseite" der SZ förmlich ansprang.

Für sein neustes Agitationsstück (Summa Summarum 55) hatte er sich an einer Privatuni (Fresenius Hochschule, München), in eine Vorlesung über Wirtschaftspolitik gesetzt, "um sich mal auf den neusten Stand zu bringen".

Den Studierenden wurde dort etwas über die "Marktwirtschaft" und die "Zentralverwaltungswirtschaft" (ZVW) beigebracht.

Nun gebe ich zu, dass mensch aus dem Video vielleicht nicht die besten Schlüsse aus der entsprechenden Vorlesung ziehen kann. Aber einem ausgebildeten Ökonomen dürfte es Bauchschmerzen bereiten, wenn der Eindruck entsteht, das die Marktwirtschaft und die ZVW tatsächlich für bare Münze genommen werden; wenn dort der Hinweis auf Idealtypen und Realtypen fehlt.

Im Video meldete sich sogleich Herr Beise zu Wort und meinte, dass sich inhaltlich nicht sonderlich im Vergleich zu seiner Studienzeit geändert hätte. Die Grundprinzipien der Marktwirtshaft in Abgrenzung zur ZVW wären gleich geblieben.

Das darf auch nicht verwundern, denn das, was der Dozent dort vortrug, waren die Merkmale der Idealtypen. Und die werden sich nicht ändern, denn sie stellen eben ein Ideal dar.

Entweder hatte Herr Beise noch nie etwas von dieser Unterscheidung gehört, was nicht sehr für seine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung spräche. Oder aber er hatte es einfach vergessen. Egal, ärgerlicher ist, dass er mit seinem Halbwissen nun ganz munter eine Diskussion über Idealtypen anstieß.

Und wie sollte es anders sein: Er übertrug diese Idealtypen einfach so auf die reale Wirtschaftswelt. Sein Beispiel: Die Energiewende, die von der Politik beschlossen wurde, wobei er natürlich die ganzen "massiven" und unabsehbaren Auswirkungen dieser Entscheidung ganz, ganz besonders betonen musste. Sei solch ein Beschluss nicht zentralverwaltungswirtschaftlich?

Es ist natürlich klar, dass dies ein zentralverwaltungswirtschaftliches Element ist. Aber real erlebbare Wirtschaftsordnungen, die Realtypen, können sowohl Elemente der ZVW besitzen, als auch der Marktwirtschaft. Mit dem Unterton, den Beise hier anschlug, musste fast schon gefürchtet werden, dass jeder noch so kleine Hauch staatlicher Eingriffe eine ZVW unvermeidbar herbeiführt.

Das ist aber absoluter Humbug!

Davon abgesehen befürworteten Liberale wie Adam Smith immer schon staatliche Eingriffe, ohne dass dabei bereits das Gespenst der real existierenden ZVW existierte. Ebenso waren Personen wie Friedrich List und Bruno Hildebrand durchaus Liberale, die klar auch für staatliche Interventionen eintraten, ohne eine sozialistische ZVW einläuten zu wollen.


Selbst die Soziale Marktwirtschaft, basierend auf den Ideen von Alfred Müller-Armack, beinhaltete zentralverwaltungswirtschaftliche Elemente, ohne eine ZVW zu sein.

Gerade mit Blick auf die Soziale Marktwirtschaft ist es auch unangemessen, Freiheit und soziale Gerechtigkeit - die beiden obersten Ziele der Sozialen Marktwirtschaft - gegeneinander auszuspielen. Doch genau das tat Beise, als er am Ende des Videos resümierte, es wäre immer einfach staatliche Interventionen zu fordern, aber besser, sich im Zweifel für die Freiheit zu entscheiden.

Beise outete sich damit klar als Fürsprecher der Marktwirtschaft, nicht als Advokat der Sozialen Marktwirtschaft. Gut, mensch muss die Soziale Marktwirtschaft nicht mögen. Aber ein richtiges Argument hätte ich von ihm schon gerne mal gehört.

Dessen ungeachtet waren die Ausführungen und Statements im Video derartig verkürzt, dass der Eindruck entstand, Wirtschaftspolitik könne auch bei "Britt – Der Talk um eins" gelehrt werden. Dazu passt auch der anbiedernde Hinweis des Dozenten, ganz am Anfang des Videos, dass Beises "Summa Summarum"-Reihe häufig Bestandteil der Vorlesung wäre.

Wer sich aber Beises pseudowirtschaftlichen Schund (z.B. hinsichtlich der Studiengebühren) ansieht, erlebt ein Bildniveau, das einfach nur Bauchschmerzen bereitet. Aber das reicht ja nicht: Der ökonomische Milchmann Beise muss auch noch in Lehrveranstaltungen hofiert werden. Als ob das tatsächlich ein Experte wäre.

Was der aber bietet, sind nur runtergespulte Dogmen: Lehrsätze, die er wohl noch von damals im Hinterstübchen behalten konnte, weil sie nicht zu differenziert und kompliziert waren. Vielleicht sollte er sein "Summa Summarum" demnächst verstärkt vom Katheder zedern. Das Zeug zum Kathederkapitalisten hätte er.




P.S.: Eine immernoch lesenswerte Kritik an Beises ideologischen Blödsinn findet sich in einem Beitrag von Christian Sickendieck (2008) auf Fixmbr: "Marc Beise — der Untergang des kritischen Journalismus am Beispiel eines SZ-Redakteurs".

Keine Kommentare: