Samstag, 16. Mai 2009

Arbo spricht: über sarrazinäre Zustände!

Seit Donnerstag ist er mal wieder ganz "zitierfähig", der gute Herr Sarrazin. Was im ersten Moment wie die Zutat zu einem Brennsatz klingt, ist in der Tat ein brennstoffliches Element sondersgleichen: Sozialer Brennstoff!

Um was geht's also? Nun, "unser" Menschenfeind Sarrazin, seines Zeichens sPD-Mitglied, früher Finanzsenator in Berlin und jetzt im Vorstand der Bundesbank, durfte sich mal wieder als profunder Kenner der niederen Volksschichten zu erkennen geben.


"Gegenwärtig würden manche Frauen zwei, drei oder mehr Kinder in die Welt setzen, obwohl sie 'nicht das Umfeld' oder 'die persönlichen Eigenschaften' hätten, 'um die Erziehung zu bewältigen', erklärte Sarrazin dem Magazin zufolge."

"Weil Städte und Gemeinden die Heizkosten übernähmen, gingen die Bedürftigen oft verschwenderisch mit Energie um. 'Hartz-IV-Empfänger sind erstens mehr zu Hause; zweitens haben sie es gerne warm, und drittens regulieren viele die Temperatur mit dem Fenster', sagte Sarrazin dem Magazin zufolge."

Quelle: Sarrazin provoziert Hartz-IV-Empfänger und Problemfamilien (Stern).

Zusatzlink:
Thilo Sarrazin: "Kinder kann kriegen, wer damit fertig wird" (Stern)
.

Und nun mal ein Blick auf die Projektseite zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Uni Bielefeld .


"Die humane Qualität einer Gesellschaft erkennt man nicht an Ethikdebatten in Feuilletons meinungsbildender Printmedien oder in Talkshows, sondern am Umgang mit schwachen Gruppen. [...]

Ein zentrales Problem unserer Gesellschaft steht hinter allen diesen Erscheinungsweisen, Instrumentalisierungen und Entwicklungen: Die Aufrechterhaltung oder gar Verstärkung der Ungleichwertigkeit von Gruppen und ihrer Mitglieder sowie die Auflösung von Grenzen zur Sicherung ihrer physischen und psychischen Integrität, die ihnen ein Leben in Anerkennung und möglichst frei von Angst ermöglichen.

Daher geht es immer wieder um die Frage, wie Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft mit ihren verschiedenen Lebensstilen in dieser Gesellschaft leben, Anerkennung erfahren oder aber sich feindseligen Mentalitäten ausgesetzt sehen."

Quelle: GMF.

"Das Forschungsprojekt geht der Frage nach, wie Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und ethnischer Herkunft sowie mit verschiedenen Lebensstilen in dieser Gesellschaft von der Mehrheit wahrgenommen werden und mit feindseligen Mentalitäten konfrontiert sind. Im Mittelpunkt steht also das, was wir die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nennen. [...]

Einbezogen sind darüber hinaus die Herabsetzung sexuellen oder sozialen Andersseins, d.h. die Abwertung von Obdachlosen, Homosexuellen und Behinderten sowie die Demonstration von Etabliertenvorrechten und Sexismus."

Quelle: Menschenfeindlichkeit - Was ist das?

"In einem 'vergifteten' Klima ist besonders darauf hinzuweisen, dass feindselige Einstellungen auf weitere, bisher noch nicht diskriminierte soziale oder kulturelle Gruppen ausgeweitet werden können. Abwertende Einstellungen können sozusagen überspringen. Wenn z.B. von Eliten eines Landes Ideologien der Ungleichwertigkeit offen vertreten werden, so stellt das eine gefährliche 'Chance' für ein solches Überspringen dar. "


Quelle: Wo liegt das Problem der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit?


Angesichts dieser Ausführungen der IKG zeigt sich meines Erachtens schon, dass dieser Herr Sarrazin ein ausgemachter Menschenfeind ist. Mir ist völlig unverständlich, dass so eine Person im Vorstand der Bundesbank tätig sein darf, immerhin ein Amt mit repräsentativer Außenwirkung! Da hilft auch nicht, dass sich die Bundesbank von Sarrazins Äußerungen "distanziert". Aber gut, das ist die eine Seite, über die ich hier nicht weitere Worte zu verlieren brauche. Das fand und findet anderswo im Internet statt, zum Teil vieleicht auch viel besser, als ich es vermag (z.B. beim Spiegelfechter, beim Freitag, auf adsinistram oder in der SZ).

Die andere Seite der Münze ist, dass Sarrazin offenbar soziale Werturteile bedient, die so bereits tief im sozialen (Unter-) Bewusstsein schlummern. Im Grunde ist es wohl auch das, was solche Studien wie die von Heitmeyer zu Tage fördern. Also Hand auf's Herz: Wem sind solche saudämlichen Sarrazin-Parolen nicht schon einmal in vertrauter Umgebung zu Gehör gekommen?

Ja, es fängt ganz harmlos an: Wenn sich jemand über das "asoziale Gesocks" vor den Kaufhallen beschwert; oder sich über die "Kinderreichen aus dem Erdgeschoss" aufregt, die den ganzen lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als im Innenhof rumzulungern und zu lärmen (O-Ton: "Arbeiten habe ich die noch nie gesehen ... die sind da jeden Tag."). Dieses Monieren ist ja auch nur all zu verständlich, wo doch jede|r Steuern zahlt und die sich da einfach in die "soziale Hängematte" legen, oder? Wenn es dann um "gesunde Ernährung" geht, ist der Sprung zum Sozialdarwinismus auch nicht mehr weit.

Jeden Tag Pommes und Cola, ja, da muss mensch sich auch nicht wundern, wenn die in die Breite gehen! Für solche Leute dann Diabetis-Medikamente zahlen? Ist doch ein Witz! Und überhaupt: Die sind doch selbst Schuld! Fett und überfressen: das muss ja nicht sein. Selbst von Hartz-IV lässt sich doch wohl noch Gemüse kaufen, oder? Das Bund Möhrchen für 99 Cent? Der Plastekasten Rukola für 1,20 Euro?

Nun will natürlich keiner Nazi oder Rassist genannt sein! Igitt, nein, mit den Nazis hat mensch nichts zu tun. Und dann kommt das große ABER ...

Mensch muss ja mal zugeben, dass ... Es gibt ja auch Sozialmissbrauch! Und das Gemüse, dass ist ja nun wirklich nicht teuer ... und fettleibig sind die ALG-IIer doch wirklich, dass müsse mensch doch zugeben. Das müsse doch mal ehrlich gesagt werden. Auch, wenn das vielleicht krass klingen mag.

Kurz, mensch sonnt sich in seinem vermeintlichen Mut, "die Wahrheit" gesagt zu haben ... und die ganze argumentative Chose geht von vorne los.

Auf was ich hiermit hinaus möchte, ist: Klar, die Menschenfeindlichkeiten aus der Presse und der Politik, die gehen auch mir ehrlich gesagt mächtig auf den Docht! Abgesehen von bösen Emails und (Leser-) Briefen ist dort jedoch nicht wirklich viel zu erreichen. Außerdem ist das immer auch "anonym" und weit, weit weg von einem. Hat offenbar nicht viel mit einem selbst zu tun. Richtig übel empfinde ich es deshalb, wenn mir solche Parolen im eigenen Umfeld - egal ob auf Arbeit u.ä. - vor die Nase gesetzt werden. Darum halte ich es ein Stück weit aufrichtiger, den menschenfeindlichen Äußerungen dort zivil-couragiert entgegen zu treten. Das muss nicht moralisierend sein; kann ruhig humorvoll geschehen. Doch wenn einem etwas ins Auge fällt, sollte es auch deutlich angesprochen werden. Dabei muss aber auch kein Blatt vor den Mund genommen werden. Solche Äußerungen wie die von Sarrazin, Mießfelder, Clement usw. dürfen ruhig als das bezeichnet werden, was sie sind: nämlich als menschenfeindlich!

1 Kommentar:

tom hat gesagt…

Sehr gut und trefflich analysiert! Menschenfeindlich und menschenverachtend, das trifft es, genauso empfinde ich auch die Aussagen von Herrn Sarrazin.

Übrigens: Ich glaube ich habe hier gerade ein sehr interessantes Blog entdeckt. Kommen nun öfter vorbei.

Gruß

tom