Sonntag, 4. Januar 2009

Arbo's Worte zum neuen Jahr

Einige Zeitungen berichteten dieser Tage von einem Frust der Deutschen über die Ergebnisse der Wiedervereinigung: So z.B.
Anlass dafür gab eine von der Berliner Zeitung (BZ) in Auftrag gegebene Studie bei Forsa. Die Ergebnisse wertet die BZ in ihrem Artikel “Deutsche enttäuscht von Vereinigung“ (Berliner Zeitung) wie folgt:

Die Deutschen ziehen im zwanzigsten Jahr des Mauerfalls eine ernüchternde Bilanz der Wiedervereinigung. In einer repräsentativen Forsa-Umfrage zum Stand der Einheit, die die Berliner Zeitung zum Beginn des Gedenkjahres in Auftrag gegeben hat, zeigten sich viele Befragte in Ost und West enttäuscht von dem, was sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten getan hat.

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Die schlechte Bilanz der Wiedervereinigung hat auch Auswirkungen auf die Haltung der Deutschen zum gesellschaftlichen und politischen System. Im Osten sagen zwei Drittel der Befragten in „unserer Gesellschaft geht es im Großen und Ganzen“ nicht gerecht zu. Derselben Meinung sind im Westen 59 Prozent. Diese kritische Haltung zieht sich durch alle Alters- und Berufsgruppen. Nur die Selbstständigen im Westen und die Grünen halten die Gesellschaftsordnung für gerecht.

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Trotzdem ist die schlechte Bewertung des politischen Systems – weit mehr als 60 Prozent in Ost und West glauben, dass die Korruption seit 1989 zugenommen hat – ein Alarmzeichen, sagt Manfred Güllner. Das sei ein Beleg für eine große Entfremdung zwischen den Bürgern und den politischen Akteuren.


In gewisser Weise muss mensch jetzt erstmal froh sein, dass hier nicht das übliche Ost-West-Gekloppe beflügelt wird. Denn für gewöhnlich gingen solche Umfragen in der Vergangenheit mit der Unterstellung einher, „die Ostdeutschen“ wollten die Demokratie nicht mehr. In diesem Zusammenhang möchte ich dann doch noch einmal den oben zitierten letzten Satz aus der BZ in den Raum werfen: „Das sei ein Beleg für eine große Entfremdung zwischen den Bürgern und den politischen Akteuren“.

Wenn dem so ist, darf eine kritische Haltung zum „aktuellen System“ nicht verwundern.

Aber wen wundert das? Schaut mensch sich alte Berichte der Aktuellen Kamera (DDR-Fernsehen) an, so wirken sie heute aus meiner Sicht fast ähnlich nichts-sagend wie jene Beiträge in den Tagesthemen und dem Heute-Journal – beides Nachrichtensendungen, die in Deutschland für Qualitätsnachrichten stehen. Jedenfalls beschlich mich dieses (!) Gefühl in den letzten Wochen, wenn ich z.B. die Berichte über die „Finanzkrise“ sah, darüber, welcher Wirtschaftsverband, welches Unternehmen, welche Branche wieder mal etwas beklagt usw. Wie gesagt: Irgendwie „nichts sagend“ und bisweilen hat's m.E. recht wenig mit den Lebenrealitäten der Menschen gemein. Eher hat es schon etwas arg Zynisches, wenn über Banker der Wallstreet berichtet wird, die jetzt ihre teuren 500$ Schuhe beim Schuster reparieren lassen müssen, anstatt sich einfach ein paar neue Schuhe zu kaufen. Meine Güte, wie arm diese Menschen dran sind ...

Dazu dann noch diese gestelzten und nichts sagenden Pressekonferenzen und Ansprachen „unserer“ Elite. Schau ich mir an, was unsere Kanzlerin und unser Bundest-Horst so von sich geben, fehlt nur noch ein: „Ich liebe Euch doch alle!“. DDR light!

Gerade die „Finanzkrise“ wirkt zudem auch wie ein Brennglas auf die Schwächen unserer Medien. Leute, die dort z.B. schreiben und im Rückblick fast eine 180° Wendung hinlegten, wurden zu Wende-Zeiten als „Wendehälse“ bezeichnet. Das waren Leute, die schnell das Parteibuch wechselten – von der SED zur CDU. Dank der eigenen „geschmeidigen Formulierungen“ haben die sich entsprechenden Schreiberlinge faktisch „immunisiert“ gegen Vorwürfe, die mensch ihnen heute machen könnte. Gewettert haben aber viele von denen gegen jene „Mahner“, die schon früher „Globalisierung“ kritisierten. „Globalisierungskritiker“ war und ist bisweilen noch ein Schimpfwort, obwohl sich z.B. ATTAC m.E. nie wirklich gegen Globalisierung ausgesprochen hat, sondern gegen ganz bestimmte Entwicklungen. Klar, wer darauf eingegangen wäre, hätte sich dann natürlich als Interessenvertreter geoutet. Aber ähnlich diffamierend wie das Etikett „Globalisierungskritiker“ verteilt wurde, war mensch auch im Umgang mit solchen Prädikaten wie „links“ oder „sozial“. Alles galt irgendwie „synonym“ und zwar „synonym“ für: Rückständig!

So kann ich mich noch gut daran erinnern, dass der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel mal in einer Christiansen-Runde eingeladen und dort im TV der Untertitel „linker Ökonom“ zu lesen war. Offenbar reicht es also aus, keynesianische Ideen zu vertreten, um als „links“ zu gelten. Jetzt ist auch klar, weshalb viele ein Problem mit Oskar Lafontain haben, der im Grunde auch viel Keynes intus zu haben scheint. Kaum jemand merkt, wie sich hier die inhaltlichen Grenzen verschoben. Was heute als „links“ gilt, ist im Grunde ganz solides „sozialdemokratisches“ Programm. Damit hier keine Missverständnise auftreten: Ich will hier nicht „der Linken“ das Wasser reden. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass gerade auch die Medien einen wesentlichen Beitrag zur „Homogenisierung“ – Gleichschaltung – der Meinungen geleistet haben. Denn egal ob in der CDU oder in der SPD, dort werden und wurden Leute, die sich dem sozialstaatlichen Ziel unseres Grundgesetzes verpflichtet fühlen als „links“ diffamiert.

Dass es natürlich immer auch diese Leute geben durfte, auch im wissenschaftlichen Bereich „Mahner“ ihre Stimme erheben konnten, wird heute gerne als „Vorteil“ und Unterschied zum DDR-System erhoben. Sicher gibt es heute mehr Freiheiten. Aber das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass jene Personen, um die es hier geht, meist nur die Funktion eines Feigenblättchens besitzen: Alibi für die ganzen politischen Schweinereien der letzten Jahre (angefangen bei Hartz IV über diese gesamten Stasi-2.0-Gesetze), in der Gewisseheit, nicht so schlecht zu sein wie ein „Unrechtsstaat“.

Dabei gibt es aber durchaus ernst zu nehmende Phänomene, die jedem halbwegs gebildeten Bürger ins Auge „springen“. Wer glaubt denn ernsthaft an Neutralität und an den zum „eigenen Gewissen verpflichteten“ Abgeordneten, wenn ein Wirtschaftsminister wie Clements an der Deregulierung des Arbeitsmarktes mitwirkt und dann in einer Zeitarbeitsfirma tätig ist? Von seinem Engagement in der Energiebranche ganz schweigen. Oder wie sieht's mit der Chose um Frau Ypsilanti aus? Mensch mag sie kritisieren und muss sie auch nicht so toll finden, um sie zu wählen. Aber jedem mit halbwegs Grips unter der Hirnplatte muss aufgefallen sein, dass eine Medienkampagne gegen diese Politikerin gefahren wurde. Dazu reicht nur ein Blick auf das letzte Beckmann-“Interview“ mit ihr. Ein Musterbeispiel für mediales Nachtreten! Dass Frau Metzger, die von Anfang an als Querschlägerin für einen rot-gründen Duldungsversuch durch „links“ galt, möglicherweise mit der Energiebranche verquickt ist (Aufsichtsratsmitglied der HEAG Südhessische Energie AG) und von eventuellen „Umweltplänen“ Ypsilantis negativ betroffen gewesen wäre, ging ebenso unter. Uhh, ohh … Verschwörungstheorie: Lieber einen Bogen darum machen! Und wie sieht's mit unseren ach so gern konsultierten Wissenschaftlern aus? Herr Rürup, immerhin Wirtschaftsweiser, ließ sich mit Walter Riester und dem Chef des Finanzdienstleisters AWD Hände schüttelnd – ich glaube in der Bunten (hier und hier) – ablichten. Dass er dann die Privatvorsorge predigt, besitzt dann schon einen ziemlich schalen Beigeschmack! Erst recht, wenn mensch bedenkt, dass der Herr Rürup demnächst bei AWD seine eigenen Rentenbrötchen backen wird.

Dieses Rad ließe sich noch endlos weiter drehen. Wenn also Herr Güllner von Forsa feststellt, dass sich die Eliten von der „Bevölkerung“ entfernt haben, so ist ihm beizupflichten. Es gibt jedoch eine Reihe von Beispielen dafür, die so offensichtlich sind, dass es keiner ach so tollen Statistik bedurft hätte! Obwohl gerade das die Abgehobenheit der Eliten zeigt: Mit Herrn Güllner scheint unsere ganze „Elite“ wohl erst an Phänomene zu glauben, die sie zahlenmäßig einfangen kann. Für „gesunde Menschenverstand“ ist da offenbar kein Platz.

Ein gesundes neues Jahr!

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