Mittwoch, 23. Juli 2008

Presseschau: Menschenfeindlichkeit(en) und Medien am Gängelband

„An einem Tag am Strand“ (taz)

“Am Strand in der Nähe von Neapel liegen zwei junge Mädchen unter sengender Sonne. Sie liegen nicht auf ihren Handtüchern, sondern die Handtücher auf ihnen, denn: Sie sind tot. Ein kleines Stück davon entfernt sieht man ein Paar beim Sonnenbaden, die Blicke ganz ungeniert in die Kamera eines Fotografen gerichtet, der dieses Szenario ablichtete. Das so entstandene Foto geht gegenwärtig nicht nur durch die italienischen Medien. Dabei steht vordergründig die pietätlose Ignoranz der Badegäste am Pranger, aber eigentlich dreht sich alles um die ethnische Zugehörigkeit der Opfer, die das Bild verschweigt: Die Mädchen waren Roma.

[...]

In der italienischen Bevölkerung wächst seit Jahren der Groll gegen die Roma. Kürzlich ergab eine Studie einer italienischen Zeitung, dass zwei Drittel für eine Ausweisung der Roma sind, unabhängig davon, ob sie einen italienischen Pass haben oder nicht. Roma werden für Diebstähle verantwortlich gemacht, ihre Siedlungen in der Peripherie sind vielen ein Dorn im Auge. Das Unglück der beiden ertrunkenen Roma-Mädchen selbst ist vor diesem Hintergrund eigentlich Nebensache. Die Gleichgültigkeit der Badegäste ist zwar schauderhaft, aber deshalb von Interesse, weil sie symptomatisch für ein weiterhin nach rechts rückendes, rassistisches Italien steht. “


Zum gleichen Thema: „Sonnenbad neben Leichen“ (Süddeutsche).



„Minister Schäuble schiebt Iraker ab“ (taz)

"Für meinen Mandanten kommt die Abschiebung nach Griechenland einer Abschiebung in den Irak gleich", sagt Anwalt Peter Koszian. Deshalb hat er im März den Petitionsausschuss des Bundestages eingeschaltet. Seine Bitte: Matta-Houssinis Asylantrag möge in Deutschland durchgeführt werden. Der Ausschuss sprach sich vor der Sommerpause fraktionsübergreifend dafür aus, aus Zeitgründen aber wurde noch kein formaler Beschluss gefasst. "Deshalb haben wir das Bundesinnenministerium gebeten, die Abschiebung zunächst nicht vorzunehmen", sagt Carsten Müller, der für die CDU im Petitionsausschuss sitzt. Doch der Bundesinnenminister wies dieses Begehren in einem Brief zurück. Matt-Hannoussi wurde abgeschoben.“



„Die renitenten Rezensenten“ (Süddeutsche)

"Man stelle sich vor, der Journalist einer seriösen Zeitung versucht, das neue Album "Knowle West Boy" des ehemaligen Massive Attack-Helden Tricky zu besprechen - und erhält auf seine Anfrage an die Plattenfirma Domino Records sinngemäß folgende Antwort:

Leider habe es in letzter Zeit zu viele negative Plattenkritiken von ihm zu lesen gegeben. Deshalb könne man ihm kein Rezensionsexemplar schicken. [...]

Man stelle sich weiter vor, diese Geschichte sei wahr - müsste sie nicht sowohl die Musikvertriebe als auch den freien Musikjournalismus nachdenklich stimmen?Wer übt hier Druck auf wen aus?

Sie müsste, und sie tut es auch, denn sie ist tatsächlich so passiert, vor zwei Wochen.“


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