Mittwoch, 28. November 2007

Studentische Weisheiten

Tja, das Korrigieren von Klausuren ist echt eine Heidenarbeit, macht aber andererseits auch wieder Spaß. Denn hin und wieder gibt es auch so ein paar humoristische Einschübe, die das Ganze dann ziemlich auflockern. Und weil die manchmal mehr als nur ein Lächeln verursachen, will ich hier mal ein paar Stilblüten nicht vorenthalten.

Zum Beispiel aus dem Fach Wirtschaftssysteme, in dem sich bei so manch Prüfling das Feingefühl hinsichtlich geschlechtlicher Gleichberechtigung vermissen lässt. Völlig von einem offensichtlich feministischen Enthusiasmus ergriffen wendete z.B. ein Prüfling Marx's Begriff der Reservearmee auf die Praxis an und schrieb:

Ist diese [Reservearmee, Anm. d. Verf.] sehr hoch, haben Unternehmen eine hohe Auswahl an Arbeitnehmern und sie werden Frauen gegen Männer tauschen, gebildete gegen ungebildete.

(Hervorhebungen d. Verf.)


Dass beim Korrigieren selbst solche Hilfskräfte wie ich noch ihre historischen Lücken füllen können, zeigt sich bei einem anderen Prüfling in den Ausführungen zur „Arbeitsmarktpolitik“ im Dritten Reich:

Zur Durchsetzung des kurzfristigen Zieles wurde zum Beispiel Arbeitsbeschaffungsprogramm aufgelegt oder es wurde Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei der Bahn oder der Telekom durchgesetzt [...] und die Arbeitslosigkeit sank dramatisch bis 1937.

(Hervorhebungen d. Verf.)


Interessant sind auch immer wieder die dogmenhistorischen Weisheiten, mit denen Prüflinge zu überraschen wissen. So meint ein Prüfling, dass Martin Luther keine Auswirkungen auf das spätere Wirtschaftsdenken hatte und begründete dies wie folgt:

Luther wurde nicht als Vorbild genommen, weil er zu sehr an seiner Bibel hang.


Mit leicht sarkastischem Unterton bemerkt dagegen ein anderer Prüfling zu Luther:
Was soll man zu „diesem“ Luther sagen. Er hat die Thesen an die Kirchentür geschlagen, er der „Reformator“ der Kirche und Gesellschaft.


Ein wirklich schönes Highlight lieferte aber ein Prüfling mit folgenden Ausführungen:

Nach meiner persönlichen Auffassung, beginnt der Übergang zur Wissenschaftlichkeit der Ökonomik mit der Schule von Casablanca. [...] Diese Aspekte in ihrer Forschung bestätigen mich in meine rMeinung, dass die Schule von Casablanca einen Übergang [...] zur Wissenschaft darstellt.

(Hervorhebungen d. Verf.)


Schau mir in die Augen, Prüfling: Daraus wird natürlich keinem ein Strick gedreht! Aber amüsant ist es schon, die Schule von Salamanca zu verwechseln ... wenigstens hat der Prüfling das durchweg gemacht.

Bei so viel Weisheiten ist es zudem ganz erfrischend, wenn Prüflinge offen und ehrlich sind und zugeben, wenn sie etwas nicht wissen. Zudem, wenn sie es selbst mit einer Prise Humor nehmen. Das ist wirklich sehr selten. So wandt sich ein Prüfling sichtbar um jede auch nur erdenkliche Antwort, um dann am Schluss seiner Arbeit – kapitulierend – wie folgt zu enden:

Gut, jetzt gebe ich es auf!
Aber ich komme erstarkt wieder! ☺

Ich wünsche Ihnen eine schöne vorlesungsfreie Zeit!


Tja, was soll ich dazu noch sagen: Ja, dank solcher KandidatInnen ist die "vorlesungsfreie Zeit", in der für gewöhnlich Klausuren aller Art korrigiert werden, wirklich schöner (als ohne).

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