Mittwoch, 26. September 2007

Terrorfakes?

Kennt jemand noch diese Schlagzeilen?

Die Terror-Attentäter von Oberschledorn und der vereitelte Anschlag waren also vor Wochen in praktisch aller Munde. Schlagworte wie "Online-Durchsuchung" suchten in geradezu inflationärer Weise die Medien auf. Unser amtierender Innenminister Schäuble verstrickte sich immer mehr in seinen Äußerungen, die ihm den Vorwurf der Panikmache einbrachten. Aber nicht nur er schien diese Hysterie anzuheizen: So berichtete die Welt am 8. September von "Schwere Pannen bei Terror-Zugriff" und meinte, dass der Fahndungserfolg zum Teil nur eine Glücksache gewesen sei.

Bei diesem ganzen Tohuwabohu sind scheinbar aber ein paar kritische Töne untergegangen. So schrieb Karl Weiss, seines Zeichens Chemiker, bereits am 10. September in der Berliner Umschau:

"Als Chemiker muss man sich denn doch wundern, mit welcher Unbekümmertheit BKA, Staatsanwaltschaft, Innenministerium und Landes-Innenminister vermutlich freche Lügen verbreiten. Mit Wasserstoffperoxid, auch in der konzentrierten Lösung, kann ein 'Möchte-Gern-Terrorist' keinesfalls einen handhabbaren funktionierenden Sprengstoff herstellen! [...]

Der Sprengstoff Acetonperoxid, der immer wieder in den Behauptungen von Offiziellen im Zusammenhang mit Terrorismus auftaucht, ist absolut unbrauchbar als Terror-Sprengstoff. Es gibt bis heute keinen Hinweis, dass er schon einmal bei einem Terroranschlag verwendet wurde. Die Londoner Anschläge vom 7.Juli 2005 wurden zunächst von Scotland Yard mit Acetonperoxid in Verbindung gebracht, aber als es später angebracht erschien, die „vier britischen Jungs“ als Alleintäter ohne Hinterleute hinzustellen, verschwand die These vom Acetonperoxid von der Bildfläche. [...]

Bis heute konnte man keinem der angeblichen Terroristen in England genügend nachweisen, um überhaupt vor Gericht gestellt zu werden. Am Ende werden sie wahrscheinlich unter einem Generalparagraphen wie „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ oder ähnlichem abgeurteilt, die man immer anwendet, wenn man keine konkreten Taten nachweisen kann."

Quelle: Weiss (2007).
Spöttisch fasste Jürgen Elsässer die Ungereimtheiten dieses Falles im Freitag vom 19.09.2007 mit folgenden Worten zusammen:
"Die angeblichen Superterroristen von Oberschledorn legten quer durch die Republik eine Fährte so breit wie eine Elefantenspur. Völlig unklar bleibt, warum angeblich mehrere hundert Beamte über sechs Monate mit ihrer Überwachung beschäftigt waren. Das Islamisten-Trio verhielt sich dermaßen exhibitionistisch, dass einige Streifenwagen mit Dorfpolizisten vollauf genügt hätten."

Im Folgenden wundert sich Elsässer darüber, dass die "Terroristen" trotz einer Durchsuchung bei einem nahen Bekannten aus Bremen einfach weiter machten. Mehr noch, offenbar muss das Trio davon Wind bekommen haben, observiert zu werden: Elsässer berichtet, wie die Drei einmal bei roter Ampel aus ihrem Auto stiegen und die Reifen ihrer "Verfolger" zerstachen. Auch die Wahl des Kleinstädtchens Oberschledorn als "Hauptquartier" ruft bei Elsässer Skepsis hervor. Weiter schreibt Elsässer:
"Zur Auflösung all dieser Merkwürdigkeiten gibt es drei Theorien. Entweder die Truppe war zu blöd, ihre kriminelle Energie zielführend einzusetzen. Oder sie wollte durch ihr auffälliges Agieren die Sicherheitsbehörden von anderen Terrorzellen ablenken, die in der Zwischenzeit unbehelligt ihre eigenen Planungen weitertreiben konnten. Oder die drei fühlten sich vor Verhaftung geschützt, weil sie im Auftrag irgendeines Geheimdienstes handelten und glaubten, Protektion von höchster Stelle zu genießen."

Am Ende hebt er noch einen Hinweis des Spiegels hervor, wonach einer der Terror-Verdächtigen mit einer in Ulm als V-Mann für den Verfassungsschutz tätigen Person kontakt gehabt haben muss. Sichtlich verärgert über die ganzen Ungereimtheiten und unrichtigen Aussagen der Behörden schließt Karl Weiss seinen Artikel mit den Worten:
"Was sollten aber all diese Lügen? Angst erzeugen, eine Hysterie wecken. Dann würde man rasch die neuen Überwachungsmassnahmen und neuen Gesinnungsstraftaten durchsetzen – und niemand hätte es richtig gemerkt vor lauter Angst vor den bevorstehenden Terroranschlägen.

Es fragt sich wirklich, wer mehr „einen in der Waffel“ hat, die Konvertiten, die nicht bemerkt haben, wie sie von Sicherheitskräften für deren Zwecke missbraucht wurden, oder diese selbst, die uns achtzehn verschiedene Versionen erzählen und glauben, wir würden es nicht bemerken. "

Quelle: Weiss (2007).
Schlussbemerkung
Ich habe keine Ahnung, was an den Widersprüchen wirklich dran ist. Offenbar gibt es welche, aber die Massenmedien berichteten jedenfalls nicht jener akribischen Art darüber, wie sie es zu der "Verhinderung des Anschlages" taten. Das ist leider (!) sehr ärgerlich. Dumm ist allerdings auch, dass die Leserin z.B. bei Elsässer über seine Quellen im Dunkeln gelassen wird (Woher hat er die Info von der Reifenstecherei des Trios?). Auf jeden Fall wäre es nicht verkehrt, so im Nachhinein, wenn sich die Wogen etwas geglättet haben, noch einmal ein Auge darauf zu werfen.

Referenzen
Weiss, K. (2007), "Riesige Terroranschläge standen unmittelbar bevor", Berliner Umschau, Stand 26.09.2007.
Elsässer, J. (2007), "Die Rätsel von Oberschledorn", Freitag, Nr. 37, Stand: 26.09.2007.

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