Freitag, 28. September 2007

Belebtes Wasser, Salz und biologischer Kreationismus (1)


Teil 1: Ein erster Eindruck vom Wasser und Salz

Es ist jetzt fast über einen Monat her, da wurde ich so ganz nebenbei das erste Mal mit dem Thema "lebendiges Wasser" bzw. "belebtes Wasser" konfrontiert. Ohne mich jetzt in lange Erklärungen zu verstricken: Was unter belebten Wasser zu verstehen ist, führt Wikipedia1 wie folgt aus:

"Als belebtes Wasser (auch: levitiertes, vitalisiertes, formatiertes, informiertes, harmonisiertes oder Grander-Wasser) wird auf verschiedene Weisen behandeltes Wasser bezeichnet, das nach Angaben seiner Hersteller Gesundheitszustand und Stimmung („Vitalität“) verbessern soll."

Quelle: Wikipedia (2007).


Wenig später erhielt ich dann im StudiVZ einen Einladung einer entsprechenden Gruppe beizutreten, in der dann ein Link zu einem Aufsatz und zu Vorträgen eines gewissen Herrn Ferreira führten. Ausdrücklich wurde auf die Lektüre dessen hingewiesen, dem ich als interessierter Mensch natürlich Folge leistete. Tja, aber was soll ich sagen: Der Text schien mir irgendwie "komisch". Da wurden (meinem Gefühl nach) rhetorische Kniffe verwendet, Konstrukte und Analogien aufgebaut, die mir als Wissenschaftler sprichwörtlich die Fussnägel haben hochrollen lassen. Selbst von populärwissenschaftlichen Vorträgen sollte zumindest ein wenig Niveau erwartet werden. Hier war aber m.E. vieles von dem verlassen worden, was hätte seriös wirken können. Im Gegenteil: Mir schien, dass bestimmte Dinge "zurechtgebogen" wurden. Dafür mal ein Beispiel.

"Die Physik begründet sich auf die Mechanik, die Mechanik auf das Rad, das Rad auf den Kreis - und den Kreis brauchen wir für die Wiederholbarkeit. Falls wir so immer wieder zum selben Ergebnis kommen sagen wir, 'dass ist wissenschaftlich nachgewiesen'. Aber diesen Kreis gibt es in der Natur gar nicht. In der Natur kennen wir nur die Spirale. Wir kommen zwar wieder an den selben Punkt zurück - aber bereits auf einer anderen Ebene, so ähnlich wie wir das von den Jahreszeiten kennen. Jedes Jahr haben wir wieder Sommer - und doch wissen wir, dass jedes neue Jahr uns einen anderen Sommer zeigen wird. Diese Spiralform baut auch unseren physischen Organismus auf. Wir kennen das von unserer DNS, unsere genetische Erbinformation. Und genau diese Spiralform finden wir auch im Wasser wieder, wenn es sich spiralförmig als ein lebendiges Wasser selbst bewegt.

In der Natur finden wir also solche Ordnungszustände vor. Ordnungszustände kennen wir ja aus der Mathematik. Und ein Teilbereich der Mathematik ist die Geometrie. Wenn wir auch hier einmal über das Wort nachdenken, was finden wir da vor? Geo - die Erde, metrie- das Maß, das Erdmaß. Es steckt also ein göttliches Erdmaß dahinter, was sich immer wieder gleich geometrisch aufbaut, so wie wir es eigentlich von allen platonischen Körpern kennen. Denn dort hat ja eigentlich die Energie angefangen, sich zuerst zu materialisieren - und zwar durch Kristallisation. Und wenn wir uns nun einmal einen Kristall anschauen - sagen wir einen Bergkristall, dann wissen wir zum einen, dass es nie zwei gleiche Bergkristalle gibt und trotzdem wissen wir zum anderen, dass jeder dieser Bergkristalle immer wieder ein und dieselbe exakte Geometrie aufweist und somit zu den platonischen Körpern gehört. Hier handelt es sich zwar um Silikate. Doch sollten wir uns einmal die Frage stellen, welche Macht dahintersteckt, dass diese Bergkristalle einen so perfekt gleichen geometrischen Aufbau haben. Um diese perfekte Geometrie der Kristalle geht es mir."

Quelle: Ferreira (2000/2001).


Dazu möchte ich kurz zwei Anmerkungen machen. Zunächst hatte ich vor Jahren einem Beitrag an meiner Universität (Leipzig) zum Thema Symmetrie und Natur beiwohnen dürfen. Gehalten wurde dieser von einem Professor aus der Mineralogie. Was der ganz genaue Inhalt war, daran erinnere ich mich ehrlich gesagt nicht mehr so sehr. Im Groben ging es dort um die Fasziniation dessen, dass Natur eben auch viel mit Symmetrie zu tun hat. Insbesondere auch die belebte Natur: Dazu muss mensch sich bloß mal die Beine einer Spinne, deren Augenanordnung, die Anordnung eines Insektenkörpers usw. anschauen. Aber auch "simplere" Dinge fallen auf: Augen, Arme, Beine usw. sind allesamt symmetrisch angeordnet. Kann sein, dass dies hauptsächlich evolutionsbiologisch zu sehen ist, dass ein "symmetrischer" Zeitgenosse einen evolutorischen Vorteil genießt, weil bei Wegfall z.B. eines Körperteils praktisch noch ein anderes, fast ähnliches vorhanden ist. Das ist jetzt von mir bewusst spekuliert. Klären kann das eine Biolgin (o.ä.). Auf was ich aber hinweisen will, ist, dass der eben erwähnte Vortrag an meiner Uni bei Weitem ohne diese seltsamen Verweise auf "metaphysische Kräfte" auskam, wie sie bei dem Herrn Ferreira zu finden sind.

Mein zweiter Kritikpunkt schöpft sich ebenfalls aus meiner Erfahrung. Ich selbst beschäftigte mich im letzten Jahr sehr intensiv mit der Frage, ob es zulässig ist, z.B. biologische Mechanismen auf die Physik oder auf die Gesellschaft zu übertragen. Konkret ging es u.a. um den aus der Biologie bekannten Mechanismus "Variation-Selektion-Retention" (VSR).2 Dazu lag mir kürzlich ein ausführlicher Artikel vor, dem sich verschiedene Kritker annahmen – darunter Biologen, Ökonomen, Physiker und Kulturanthropologen. Jeder hatte eine z.T. andere Meinung dazu – hin und wieder kamen Vorwürfe auf, ein Verwenden des VSR-Schemas (z.B. auf die Wirtschaft) wäre gar metaphysischer Natur. Was ich damit andeuten will ist: Während sich verschiedene Wissenschaftler verschiedener Disziplinen über einen größeren Zeitraum mit der Zulässigkeit von Analogien beschäftigen, geht der Herr Ferreira in seinem Vortrag einfach mal so darüber hinweg. Dabei ist es mehr als berechtigt zu fragen, ob Ferreiras "Spiralanalogie" überhaupt zulässig ist!

Ganz ketzterisch könnte ich hier auch einwenden, dass seine "Spirale" im Grunde nur ein andere Bezeichnung für das ist, was andere als Veränderung, Entwicklung, Wandel oder eben auch als Evolution bezeichnen. Und diese geht zwar zeitlich (historisch) immer vorwärts, aber ob sie wirklich immer einer symmetrischen Spiralform folgt, möchte ich ehrlich gesagt bezweifeln (Wer möchte, kann sich ja mal die Verästelung der Stammbäume von bestimmten Spezies anschauen und dort eine "Spirale" suchen!).

Was dem Ganzen noch einen ziemlich unseriösen Anstrich gibt, ist diese metaphysische Verklärung. Statt über "Kraft" oder "göttliche Macht" zu spekulieren, hätte Ferreira doch einfach sagen können: "Eh, ich weiß nicht, warum das so ist." Aber nein, da ist etwas "Großes" am Werke, ein Geheimnis, was da die Perfektion in der Struktur bewerkstelligt. Dass die Bewunderung für diese Struktur also derart spekulativ aufgeladen wird, wirkt eher unwissenschaftlich, zumal er sich noch nicht mal die Mühe gibt, seine religiös gefärbten Blicke von seiner Wissenschaftssprache zu trennen – im Gegenteil, er versucht seine Spekulationen damit eher aufzuwerten.

Und weil es so schön war, gleich noch solch eine "Perle" aus der Schatztruhe des Herrn Ferreira.

"Deshalb wiederhole ich mich und sage, wenn wir also lebendiges Wasser zu uns nehmen, bringt es uns das Leben. Wenn wir aber totes Wasser zu uns nehmen, dann bringt es uns möglicherweise den Tod!"
Quelle: Ferreira (2000/2001).


An dieser Stelle sollte sich die Leserin ernsthaft fragen, warum er Ersters (Wasser als Lebensspender) als so absolut gegeben sieht, während er Letzteres (totes Wasser und Tod) relativiert. Kann es vielleicht daran liegen, dass Letzteres eben gar nicht so absolut nachzuweisen ist? Mag es vielleicht einfacher sein, zu erfahren, wenn ein Mensch "lebendiges Wasser" trinkt und sich dabei wohl fühlt? Einen Toten kann ja wohl niemand mehr ernsthaft befragen, oder?

Insofern war ich schon nach dem ersten Lesen mit Zweifeln beladen, die mich zu weiteren Recherchen ermunterten.


Anmerkungen

[1] Um eines vorweg zu schicken. Klar, Wikipedia mag "manipulierbar" sein. Wer aber genau das als Argument gegen diese Institution einbringt, muss sich aber auch deren demokratischen und pluralistischen Charakter entgegenhalten lassen. Denn so, wie jemand etwas "falsches" bei Wikipedia verfassen kann, so darf jede Person auch etwas "Richtiges" verfassen. Jedem steht es frei, den Inhalt zu verändern. Er steht dann nur einer (womöglich) kritischen Masse gegenüber. Wichtig sind auch die Literaturhinweise, welche bei guten Artikeln angegeben und neuerdings mit richtigen Literaturverweisen versehen sind.

[2] Kurz auf den Punkt gebracht: Über Variation werden "Genbausteine" gemixt und neue "Ausprägungen" (Hautfarbe usw.) erzeugt. In Konfrontation mit der Umwelt werden diese selegiert und die so überlebenden Ausprägungen bzw. Bausteine werden dann "übernommen" bzw. vererbt (= Retention; gelegentlich ist diesbezüglich auch von "Bewahrung" oder "Replikation" die Rede).


Referenzen

Ferreira (2000/2001), "Wasser und Salz", Zusammenfassung von Vorträgen, auf EDV-Helfert.de, Stand 25.09.2007.

Wikipedia (2007), "Belebtes Wasser", Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Belebtes_Wasser, Stand: 13.09.2007.


P.S.: Der gesamte Text ist sehr umfangreich geworden, weshalb ich ihn aufteilte. Im hier anknüpfenden zweiten Teil werde ich einige Kritikpunkte aufgreifen, die ich über die Recherche im Internet in Erfahrung brachte.

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