Sonntag, 30. September 2007

Alatriste: Schmutziger Mantel- und Degen-Film

Wer kann sich noch die drei Musketiere erinnern? Vorzugsweise jene Verfilmung mit Gene Kelly? Was waren das noch für Zeiten, als die Degenführer auch akrobatische Künste vollführten und mit einem gezielten Stich ihren Gegnern den Docht des Lebenslichtes verkürzten? Lange ist's her, mag nun die Leserin denken. Und in der Tat, die letzten mir in Erinnerung gebliebenen Filme sind "Der Mann mit der Maske" und "The Musketeer" – beide fand ich nicht so besonders.

Nun also Alatriste, der Film über einen spanischen Söldner. He, halt mal, Söldner? Richtig gelesen: Söldner! Und genau deshalb ist es auch kein typischer Mantel- und Degenfilm! Es wird zwar gefochten, und das nicht zu wenig. Aber der Zuschauerin erschließt sich schnell, dass an Stelle des Rapiers hier das "kurze Messer" im Zentrum der blutigen Kriegskunst steht. Denn von Kriegen erzählt uns dieser Film – insbesonde von den "Stellungskriegen" in Flandern (im Rahmen des spanischen Erbfolgekrieges). Und dort dominiert Alatristes heimlicher Kampf "hinter den Linien", bei dem es gilt, auf verschlungenen Wasserwegen dem Gegner in den Rücken zu fallen. Diese Himmalfahrtskommandos Alatristes sind schmutzig, gemein, hinterhältig und haben nichts, von den Grazie bekannter Mantel- und Degenfilme. Es geht um Krieg und politische Ränkespiele. Erzählt wird, wie es ist, für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen, dafür nicht entlohnt zu werden und sich deshalb in "friedlichen Zeiten" als Schwertarm für zwielichtige Mordaufträge zur Verfügung zu stellen. Alatriste ist so ein Söldner, der von der Hand im Mund lebt. Passend heißt es dazu im Film (sinngemäß): "In Spanien war das Armsein immer schon ein teures Vergnügen."

Und so dreht sich der Film praktisch darum, wie Alatriste von einem Gefecht in das nächste gerät. Ist er mal nicht im Krieg, arbeitet er als Meuchler. Seine Kameraden werden vom Krieg oder von der Inquisition dezimiert. Ein zweiter Handlungsstrang bezieht sich auf jenen Sohn, den Alatriste einem sterbenden Kameraden in Flandern versprach, bei sich aufzunehmen. Dieser verliebt sich in eine Adlige, was natürlich nicht standesgemäß ist. Diese beiden Stränge werden dann noch mit einer höfischen Intrige verquickt, in die u.a. die Inquisition verstrickt ist: Alatriste widersetzt sich eines Mordauftrages, rettet damit sehr wichtigen Persönlichkeiten das Leben, ist von da an aber ständig mit einem halben Bein im Karzer bzw. des Todes – nur seine "Gönner" lassen ihn am Leben. Ein dritter Handlungsstrang erzählt der Leserin von der unerfüllten Liebe zwischen Alatriste und María de Castro, einer Schauspielerin. Beide wollen sich, zögern aber und treffen dann immer wieder zum falschen Zeitpunkt aufeinander. Und beide registrieren, dass sie älter werden – Alterswehmut gesellt sich hinzu. Gerade im letzten Drittel des Films zeigt sich die gesamte Tragik, als sich Alatriste endlich entscheidet und dann einer Frau ein Heiratsgeschenk vermacht, für die es bereits zu spät ist.

Insgesamt besitzt der Film also viele Facetten, die Interesse wecken. Ich glaube, es gibt kaum glaubhaftere Kinobilder eines Krieges im 17. Jahrhundert, wie sie in Alatriste zu sehen sind. Dadurch wirkt der Film sehr ehrlich. Auch dadurch, dass er immer die Söldnerseite aufzeigt. Dabei schimmern kritische Fragen hervor, die auch heute noch aktuell sind: Wer zahlt für das Wüten des Krieges? Wie realistisch schätzen die politischen Führer die Lage ein, in der sie ihre Söldner kämpfen lassen? Ich möchte nicht so weit gehen, das Flandern im Film mit dem Irak oder Afghanistan gleichsetzen. Aber gewisse Parallelen sind meines Erachtens durchaus offensichtlich, möglicherweise sogar bewusst provoziert – insbesondere durch die "moderne" Kriegsführung, die Alatriste betreibt. Etwas unnötig empfand ich manche Gewaltszenen: So oft, wie Leuten die Kehle durchgeschnitten wird, hätte nicht gezeigt werden brauchen!

Leider ist der Film zum Teil aber auch sehr langatmig. Denn so viele Facetten wie er besitzt, so unentschlossen wirkt er auch. Das ist schade, denn aus einigen Handlungssträngen hätte durchaus mehr gemacht werden können. Zum Beispiel liegt in Alatristes Liebe zu María de Castro einfach zu viel Stoff und Tragik, als dass sich dieses nur als kleine Nebenhandlung einbauen lässt. Auch das Ende seines Widersachers ist wenig spektakulär. Entsprechend blieb bei mir ein unbefriedigtes Gefühl zurück.

Fazit

Wer einen typischen Mantel- und Degenfilm sehen möchte, liegt mit Alatriste falsch. Wer eine raue Geschichte über ein Söldnerleben sehen will, in dem auch mal gefochten wird, der sollte sich Alatriste ansehen. Ein richtiges Happy-End ist nicht zu erwarten. Wer also nicht all zu große Erwartungen hat und sich auf charismatische Schauspieler, die hierzulande meist unbekannt sind, einlassen möchte, der sollte sich den Film ansehen. So negativ wie das hier klang, muss ich denn zum Schluss hin doch auch bekennen, dass Alatriste deutlich besser als der Durchschnitt ist.

Links

Kritik auf Splashmovies.de

Spanischer Erbfolgekrieg (Wikipedia, 30.09.2007)

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